Ausgewählte literarische Perlen des NIKLAUS MEIENBERG
Richard Dindo, der Filmemacher – hat diese Erde verlassen. Sein Film („Die Erschiessung des Landesverräters Ernst S.“) – zusammen gestaltet und gedreht mit Niklaus Meienberg – liess mich wieder einmal zur Vorlage dieser Doku greifen: eine Annäherung an die Gedankenwelt, den Witz, den Sarkasmus und die Ironie des Schriftstellers Meienberg. Beinahe minutiös beschreibt er das Leben des Ernst S.
Unter vielem anderen Folgendes:
Ernst S. (22-jährig) wurde 1941 von einem Richter aus St. Gallen der Schändung mit Gertrud K. (16-jährig) schuldig gesprochen. Er musste bei Ansetzung einer Bewährungsfrist von 2 Jahren 50.- Fr. Bussgeld bezahlen. Die Kosten für die Anklage beliefen sich auf 73 Franken 50 Rappen. Diese hingegen mussten beglichen werden.
Nun einige Zitate aus seinem Buch:
· Dieser ausserordentlich preiswerte Schändungsversuch hat Ernst S. und Gertrud K. dazu bewogen, es fortan heimlicher zu treiben miteinander, sich tiefer in den Mischwald an den seichten Ufern der Sitter zu verziehen. Heute käme er übrigens nicht mehr so billig davon, sagt Bezirksgerichtspräsident Morger in St. Gallen. …
S. hat klugerweise seine Unzucht noch begangen, solange das alte kantonale Strafgesetz in Kraft war. Derselbe Straftatbestand würde heute ebenso hochnotpeinlich untersucht, und ungefähr in derselben Terminologie, nur das Latein wird heute eingedeutscht, es heisst vermutlich „Eindringen des Geschlechtsteils“ statt „immissio penis“. So sagt Dr. Morger. Das Latein geht wirklich unaufhaltsam zurück.
· Es war eine Vorwegnahme: Ebenso minutiös wird der Autopsiebefund später festgehalten, wo und wie weit die Kugeln in den Körper des Ernst S. eingedrungen waren. (nach der Erschiessung)
· Was S. als Statist am Stadttheater erlebte, ist schwer zu eruieren. Damals wurde „Gilberte de Courgenay“, das Dialektstück zur geistigen Landesverteidigung, mit grossem Erfolg und immer wieder aufgeführt. (Anmerkung 2025: die Zeit wäre vielleicht wieder mal reif. Aufführungsort: das Bundeshaus) Im Ensemble befanden sich vier Mitglieder der NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei), die jedoch gut Dialekt sprachen, so dass die „Gilberte de Courgenay“ nicht darunter litt.
· Die St. Galler Bourgoisie war in einem fort wendig. (Anmerkung: in der Einschätzung von Hitler-Deutschland) In derselben Familie Mettler setzte man auf zwei Pferde: Mettler-Specker (der Textilbaron) auf das faschistische Modell des Kapitalismus, sein Sohn auf das liberale Modell. In den dreissiger Jahren schien Hitler sehr geeignet als Garant des Besitzstandes. … Oben nannte man es „politische Verwirrung“ ( ab ca. 1943) oder fehlende Rücksichtnahme auf das Urteil der Öffentlichkeit. Unten nannte man es „Landesverrat“, wie bei Ernst S. Oben wurde pensioniert, unten wurde füsiliert.
Toni Kleimann
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